Jeannette Gerber
Normalerweise kommen Menschen in eine Voliere, um exotische Vögel zu erleben. Doch hier am Mythenquai gab es Eltern mit Kindern, die explizit wegen des ebenso exotischen wie kulturhistorisch wertvollen Relikts aus der Vergangenheit kamen: dem Musikautomaten mit dem Karussell, der Gigampfi und den tanzenden Puppen, die sich nach Einwurf eines Zwanzigrappen-Stücks im Klang der Musik bewegten.
Das Werk, beziehungsweise die Musikdose, wurde 1880 von den Baud Frères in L’Auberson VD hergestellt und 1957 in den Musikautomaten eingebaut. Doch der Holzwurm und anderes Ungeziefer hatten in diesen langen Jahren Holz und Stoff angefressen.
Elisabeth Schlumpf, Geschäftsführerin der Voliere, wollte diesen Verlust nicht hinnehmen, nicht zuletzt, weil dieser Automat der einzige im Kanton Zürich ist. Sie wandte sich an Werner Hofmann, Restaurator von mechanischen Instrumenten, und bat um seine professionelle Hilfe.
Blumenstrauss als Dankeschön
Hofmann war einverstanden und restaurierte das Werk mit Seltenheitswert im Klangmuseum Dürnten in einem persönlichen Zeitaufwand von 500 Stunden, und dies erst noch unentgeltlich. Auf die Frage, ob er das für die Voliere, die sich die Kosten ohnehin nicht hätte leisten können, getan habe, antwortete er: «Ich habe es getan, um einen Zeitzeugen am Leben zu erhalten.»
In liebevoller Kleinstarbeit ersetzte Werner Hofmann jedes Schräubchen, jedes Lämpchen und jedes noch so kleine Stofffetzelchen und führte mit grosser Präzision jeden Pinselstrich. Zum Dank dafür erhielt er von der Voliere Gesellschaft einen grossen Feldblumenstrauss für seine Ehefrau.
2 Vögel abgegeben, 4 ausgewildert
Stolz führte Werner Hofmann sein Werk vor, indem er 50 Rappen – der Preis ist inzwischen gestiegen – einwarf und sich alles im neuen Lichterglanz zur Musik zu drehen begann: Die Pferdchen galoppierten, die Püppchen tanzten und die Wippe schaukelte wieder. Es war alles wie früher, nur schöner.
Seine Augen leuchteten, und sicher wird das Wunderwerk in Zukunft noch viele Kinderaugen zum Leuchten bringen. Über dem Automaten hat Hofmann einen kleinen Bildschirm montiert, auf dem man den maroden Zustand vor der Restauration sehen kann.