Karin Steiner
«Viele Menschen würden gerne in einem Chor singen, getrauen sich aber nicht», sagt Patric Ricklin. «Bei uns wird niemand ausgelacht, wenn einmal ein Ton danebengeht. Alle sind willkommen. Es herrscht jeweils eine unglaubliche Fröhlichkeit, wenn alle zusammen singen. Chorsingen macht glücklich und ist das beliebteste organisierte Hobby in der Schweiz. Über 550 000 Leute betreiben es.»
Schon als Zehnjähriger wusste Patric Ricklin, dass er einmal Opernsänger werden wollte. Während des Gymnasiums nahm er Gesangsunterricht, studierte später Germanistik und Geschichte und schloss während des Lizenziats die Gesangsausbildung mit einem Diplom ab. Anschliessend trat er 15 Jahre lang als Opernsänger in Basel auf. «Aber ich spürte, dass die ganz grosse Karriere nichts für mich ist», erzählt er. «Zudem hatte ich inzwischen eine Familie gegründet und wollte nicht jeden Abend auf der Bühne stehen.»
Start in Oerlikon
Er beschloss, die Karriere als Sänger zu beenden, und zog mit seiner Familie nach Neu-Oerlikon. «Jahrelang hatte ich Musik für Menschen gemacht, jetzt hatte ich den Wunsch, Musik mit Menschen zu machen.» Um Gesangsbegeisterte zu finden, machte er einen Flyer und suchte Leute für sein erstes Chorprojekt. Gegen 50 Personen kamen an den Info-Abend, und bald wurde der Verein CoroVivo gegründet. «In der Residenz Nordlicht konnten wir einen Raum mit Klavier für die Proben mieten. Anfangs studierten wir einfache Lieder ein, später reichte das Repertoire bis zu Verdis Requiem. In fünf Jahren schwoll der Chor auf 120 Sängerinnen und Sänger an.»
Dann kam Corona, und der Chor schlief nahezu ein. Inzwischen ist er wieder auf rund 80 Leute angewachsen. «Wir haben einen ideal grossen Raum in der evangelisch-methodistischen Kirche an der Regensbergstrasse in Oerlikon gefunden und proben wöchentlich jeweils montags. Unser Repertoire ist breit gestreut. Erfreulicherweise sind auch viele junge Leute dabei.»
Freude an der Arbeit mit Menschen
«Ich bin fasziniert von der Arbeit mit Menschen», sagt der Sänger und Chorleiter, der sich auch zum Erwachsenenbildner hat ausbilden lassen. «Zudem kann ich als Chorleiter meine Leidenschaft für Musik ausleben. Musik ist für mich etwas vom Schönsten, was es gibt.» Er sei ein sehr kreativer Mensch und habe immer wieder neue Ideen, die er umsetzen wolle. Seit 2013 organisiert er die Silser Chorwochen im Engadin, die von rund 250 bis 300 Leuten pro Jahr besucht werden. Die zehn bis zwölf Wochen stehen stets unter einem anderen Motto wie zum Beispiel «Ich will Stimme lernen», «Gospel-Workshop», «Jazz», «Italianità» oder «Musicals» und werden nebst Patric Ricklin selber von bekannten Grössen wie Christina Jaccard, Anke Held, Alina Ganz oder Fortunat Frölich geleitet.
Nachdem er letztes Jahr zum ersten Mal erfolgreich das 1. Zürcher Adventssingen mit mehreren öffentlichen Auftritten organisiert hat, plant er jetzt das 1. Zürcher Frühlingssingen. «Jedermann kann mitmachen», sagt er. «Geplant sind sieben Proben, von denen mindestens fünf besucht werden sollten. Danach finden Auftritte an verschiedenen Orten in der Stadt statt. Das Ziel bei diesem niederschwelligen Angebot ist es, dass auch die Zuschauerinnen und Zuschauer mitsingen können.»
Auf dem bunten Programm stehen bekannte Melodien wie «Am Brunnen vor dem Tore» von Schubert, «Marmor, Stein und Eisen bricht» von Drafi Deutscher, «Halleluja» von Leonard Cohen oder «Freude schöner Götterfunken» von Beethoven. «Mein Traum ist es, dass überall in den Quartieren solche Chorprojekte entstehen und sie von der Stadt auch unterstützt werden.» Bereits habe er Kontakt zu den Quartiervereinen aufgenommen.
Projekte in Planung
In Planung sind auch weitere Projekte, zum Beispiel die «CoroVivo Academy», bei der Stimmbildung, Notenlesen, Rhythmus, Musiktheorie und Auftrittskompetenz im Zentrum stehen. «Dieses Projekt ist eine ideale Basis für Leute, die sich in einem Chor gerne weiterentwickeln möchten», so Patric Ricklin.
Weiter möchte er «CoroVivo Travel» ins Leben rufen. «Damit könnte man die beliebtesten Hobbys der Schweizerinnen und Schweizer vereinen, nämlich das Singen und das Reisen. Auf der ganzen Welt gibt es unzählige Chorfestivals. Gemeinsam könnte man innerhalb von vier Monaten ein Programm einstudieren und an eines der Festivals, zum Beispiel in Lissabon, reisen.»
In Patric Ricklins Kopf gibt es immer wieder neue Ideen, die er umsetzen möchte. «Ich lasse sie jeweils wie einen Ballon steigen. Klappt es, ist es gut, wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, dann kommt das Nächste.» Langweilig wird es dem kreativen Musiker jedenfalls nie. Neben der Musik hat er noch zahlreiche Hobbys wie Sport, Kochen, Meditieren und Persönlichkeitsbildung. «Ich bin ein Genussmensch», sagt der zweifache Vater mit Überzeugung.