Es dauerte genau 57 Minuten, bis der Kopf des Böögg explodierte. Negativrekord! Das verheisst einen überaus schlechten Sommer, wobei das wegen des Klimawandels mit all seinen Wetterkapriolen sowieso nicht mehr so klar vorauszusagen ist. Die Innerschweizer Wetterschmöcker jedenfalls wollen sich noch nicht festlegen punkto Sommer. Nur so viel: Der Böögg sei sehr ungenau, so die auf dem Sechseläuten anwesenden Vertreter aus dem legendären Muothathal. Sie waren eingeladen, weil der Kanton Schwyz diesjähriger Gastkanton beim Sechseläuten ist.
Tradition seit 121 Jahren
Seit 1902 wird auf einem grossen Scheiterhaufen in der Mitte des Sechseläutenplatzes der Böögg verbrannt. Das Feuer wird Punkt 18 Uhr entzündet, auch wenn noch nicht alle Zünfte am Festplatz eingetroffen sind. Die Reitergruppen der Zünfte umkreisen in der Umzugsreihenfolge drei Mal das Feuer. Je schneller der mit Knallkörpern gefüllte Böögg den Kopf verliert, desto schöner soll anschliessend der Sommer werden.
Zunft zur Meisen als Pionierin
Bisher durften Frauen lediglich als Blumenmädchen in trachtenähnlichen Kleidern oder als Ehrengäste dabei sein, während die Männer in den Zünften unter sich geblieben sind. Nun war das 2023 erstmals möglich. Die Zunft zur Meisen öffnete sich als erste für Frauen, wie die «NZZ» herausfand. Alle anderen Zünfte zeigen sich bis jetzt nicht bereit, die strikte Männerzone aufzugeben. Erst kürzlich lehnte die Zunft Höngg eine Aufnahme von Frauen ab und teilte mit: «Die Zeit ist noch nicht reif.»
Frauen waren schon früher dabei
Dabei sind Frauen in Zünften kein Novum. Im Jahr 1891 waren 24 Frauen im Besitz eines Partizipationsscheins bei der Zunft zur Meisen. Jedoch ist anzunehmen, dass sie nicht aktiv am Zunftleben teilgenommen haben. Die letzte Zünfterin in der Zunft zur Meisen war Bertha von May, verstorben im Jahr 1924 in Zollikon. Sie hatte ihre Mitgliedschaft von ihrem Grossvater Hans Caspar Escher geerbt, einem Zürcher Industriellen. Dies berichtete die «NZZ».
Jungsozialisten fordern Abschaffung
Nicht alle haben Freude an diesem Zürcher Brauch. Die Juso forderte in einer Medienmitteilung die Abschaffung des Sechseläutens. Mit dem Transparent «Sächsilüüte hätt usglüüte» habe die Juso auf «Sexismus, Rassismus und Elitarismus der Zünfte» aufmerksam machen wollen, werden die Jungsozialisten in «20 Minuten» zitiert.
Das Happening mit den Würsten
Seit vielen Jahren kommen gegen 22 Uhr zahlreiche Personen auf den Sechseläutenplatz, holen sich mit Schaufeln etwas Glut aus dem Feuer und braten darüber ihr mitgebrachtes Grillgut. Auch bei kühler Witterung sorgt die Strahlungswärme des Scheiterhaufens für Lagerfeueratmosphäre. Das mehrheitlich jüngere, multikulturelle Publikum kontrastiert dabei mit dem traditionellen Fest tagsüber.