Lorenz Steinmann
Sie sind humorvoll, musikbegeistert und bescheiden. Beim Treffen am Schaffhauserplatz wollen Stefanie Kubik, die Präsidentin, und Susanne Rohrer, zuständig für die Kommunikation, über die 100 Jahre Orchesterverein Oerlikon (OVOE) reden, aber sicher kein Foto von sich machen lassen. «Unser Verein steht im Mittelpunkt», so die Cellistin (Kubik) und die Bratschistin (Rohrer). Mitgebracht hat Rohrer, die in Affoltern wohnt, einen dicken Wälzer, den ihre Vorgänger beim OVOE liebevoll gepflegt haben und wo alles Wichtige der Vereinsgeschichte drinsteht. Hier ist auch zu erfahren, dass es schon vor 1923 in Oerlikon ein Musikensemble gab, das sich aber eher der Tanz- und Unterhaltungsmusik verschrieben hatte.
Auch in den 1920er- bis 1950er-Jahren spielte der OVOE oft Unterhaltungsmusik an Bällen und füllte so Säle und seine Kassen. Tempi passati! Die heutigen Orchestermitglieder trauern dieser Zeit aber keineswegs nach. Heute ist das 30-köpfige Orchester der ideale Ort für Hobbymusiker, welche die klassische Musik auf gutem Laienniveau beherrschen. Aber: «Wir helfen uns gegenseitig und mogeln uns auch mal durch eine schwierige Passage», verraten die beiden lachend. In der Gruppe der zweiten Geigen müsse man – als Beispiel – nicht perfekt sein bis in höchste Lagen.
Interessierte sind willkommen
Das Orchester ist altersmässig gut durchmischt. Interessierte sind jederzeit willkommen. Geprobt wird jede Woche jeweils am Mittwochabend um 20 Uhr in der Bullingerstube der reformierten Kirche Zürich Oerlikon, dazu kommen ein Probenwochenende und hin und wieder Registerproben, also Abende für einzelne Stimmen (Geigen, Bratschen Cellos, Bläser usw.). Am Treffen mit dem Schreibenden fällt die Registerprobe aus, vor Ostern sind einfach zu viele Leute schon weg. Kubik und Rohrer nehmen das mit einer Mischung aus Bedauern und Erleichterung wahr, so bleibt mehr Zeit, um über ihren Orchesterverein zu erzählen.
Mitgebracht hat Rohrer neben dem Vereinsarchiv auch eine gelungene, 84-seitige Publikation, die im Eigenverlag erschienen ist und einen fesselnden Querschnitt über das 100-jährige Bestehen gibt. Gerade die vielen Konzertvorschauen und Zeitungskritiken (das gab’s damals noch!) bieten einen guten Einblick in die Geschichte von Oerlikon. Dass die Medien schon 1969 durchaus tendenziöse Seiten hatten, zeigt etwa eine Kritik der damaligen «Vorstadt». «Konzert vor leeren Rängen», so der Titel. Dabei war der Saal immerhin zur Hälfte besetzt, obwohl zur gleichen Zeit die Mondlandung im Fernsehen übertragen würde. Damals ein Strassenfeger. Zum Jubiläumskonzert am Sonntag erwarten Stefanie Kubik und Susanne Rohrer gegen 250 Leute. Nicht schlecht für ein Laienorchester. Es gibt einen Apéro – und eine Eintritts-Kollekte.