Dominique Rais
Sie predigte vor über 100 Jahren in der Stadt Zürich als erste städtische Pfarrerin das Wort Gottes. Elise Pfister (1886 – 1944) ist als zweite Tochter des Zürcher Landwirts Jakob und dessen Frau Albertine in Horgen am Zürichsee aufgewachsen. Von 1902 bis 1906 besuchte sie das Seminar der Höheren Töchterschule in Zürich und war daraufhin während sieben Jahren als Lehrerin in Kappel am Albis sowie in Wil bei Dübendorf in der Dorfschule tätig. Ihre Erfahrungen als Pädagogin sollten sich für sie auf ihrem späteren Weg noch als äusserst wertvoll erweisen.
Pfisters Entscheid, ihre Tätigkeit ganz in den Dienst Gottes zu stellen, veranlasste sie schliesslich im Frühjahr 1914 dazu, dass sie sich als zweite Schweizerin überhaupt an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich immatrikulierte. Pfister tat es damit der Chemiker-Tochter Rosa Gutknecht (1885–1959), die bereits im Jahr zuvor dort ihr Theologiestudium aufgenommen hatte, gleich.
Vier Jahre sollte es dauern, bevor Pfister am 3. März 1918 anlässlich des Sonntagsgottesdienstes in der Kirche Wipkingen vor einem bis auf den letzten Platz gefüllten Gotteshaus ihre Probepredigt abhalten durfte. In einem entsprechenden NZZ-Artikel dazu wurde ihr attestiert, dass «die äusserst bescheiden auftretende Kandidatin» damals ihrer Aufgabe «in bester Weise gerecht» wurde. Ihr Ziel, als Pfarrerin zu arbeiten im Blick, schliesst Elise Pfister im Sommer 1918 nach vier Jahren mit dem Fakultätsexamen schliesslich ihr Theologiestudium ab.
Dienerinnen des göttlichen Worts
Noch im gleichen Jahr kam es in der Schweizer Kirchengeschichte zu einem absoluten Novum. «Die ersten beiden weiblichen Pfarrer Europas», titelte die «Schweizer Illustrierte» damals. Denn mit Elise Pfister und Rosa Gutknecht wurden am 27. Oktober 1918 die beiden ersten reformierten Schweizer Theologinnen, vom damaligen Zürcher Kirchenrat Johannes Sutz in der Kirche St. Peter als Verbi Divini Ministrae – Dienerinnen des göttlichen Worts – ordiniert. Und wurden damit als die ersten Frauen überhaupt mit einem kirchlichen Amt betraut.