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Stadt Zürich
17.10.2023
19.10.2023 17:49 Uhr

Das Stipendium ist ihr Sprungbrett

Die 27-jährige Beatrice Stocker hat bereits einen Bachelor in Biomedizin in der Tasche.
Die 27-jährige Beatrice Stocker hat bereits einen Bachelor in Biomedizin in der Tasche. Bild: Rahel Köppel
Beatrice Stocker ist eine von sechs Studierenden, denen das Exzellenzstipendium der Bärbel und Paul Geissbühler Stiftung zugesprochen wurde. Im Gespräch erzählt die 27-Jährige von ihrem Weg und ihren bemerkenswert vielen Hobbys.

Rahel Köppel

Ein Humanmedizinstudium ist wohl ­einer der anspruchsvollsten, aber auch begehrtesten Studiengänge. Beatrice Stocker hat bereits einen grossen Teil davon gemeistert. Mit dem Bachelor in der Tasche hat im September ihr dreijähriger Weg zum Master begonnen. Bei der Finanzierung hilft ihr das Exzellenzstipendium, das sie von der Bärbel und Paul Geissbühler Stiftung innerhalb der Schweizerischen Studienstiftung erhalten hat. Momentan arbeitet sie ausserdem nebenbei im Spital Zollikerberg als Pflegeassistentin auf dem Wochenbett.

Die 27-Jährige ist in Deutschland geboren und in Brasilien aufgewachsen. Dort hat sie dann auch auf einer deutschen Schule ihr Abitur gemacht. Dass sie mal in der Medizin arbeiten möchte, weiss sie eigentlich seit immer. «In der Schule fand ich Biologie immer am spannendsten», erzählt sie. «Auch im Fernsehen haben mich die Krankenhausserien immer am meisten fasziniert, und im Internet habe ich mir oft Geburtsvideos angeschaut.»

Prägende Erfahrungen gemacht

Darum hat sie nach dem Abi in öffentlichen Spitälern in Brasilien in der Gynäkologie und der Neonatologie ausgeholfen. Eine Arbeit, die sie sehr geprägt hat. «Die öffentlichen Krankenhäuser in Brasilien sind unterbesetzt und unterbezahlt. Die Geburten sind im Vergleich zur Schweiz schrecklich. Die Frauen mussten zum Teil auf dem Gang warten, und es gab keine Hebammen, die sich um sie gekümmert haben.» Unter anderem diese Erfahrungen führten dazu, dass Stocker später auch in Länder reisen und sich einsetzen möchte, in denen das Gesundheitssystem nicht so gut ist wie in der Schweiz.

Anschliessend hat Stocker neben weiteren Praktika in München eine Hebammenausbildung angefangen. «Für mich ist das eigentlich der schönste Beruf, den es gibt», sagt sie. Die Gynäkologie ist generell das Themengebiet, das sie am meisten interessiert. «Ich finde es wichtig, dass man über Dinge spricht, die vielleicht manchmal noch Tabuthemen in unserer Gesellschaft sind.» Dabei spricht sie Aspekte wie Sex und Abtreibung und den Umgang mit verschiedenen Sexualitäten an.

Und weshalb ist sie nicht beim Wunschberuf Hebamme geblieben? «Ärzte haben eine grössere rechtliche Verantwortung und haben somit auch ein grösseres Recht bei Entscheidungen», sagt Stocker. Ausserdem möchte sie Medizin studieren, weil sie damit mehr bewirken kann und mehr Wissen erlangt. Sie ist aber sehr dankbar, auch andere Berufe zu kennen. «Ich hoffe, dass mir diese Erfahrung dabei hilft, die Patientinnen richtig zu beraten und die Situationen vielleicht auch von einer anderen Seite ansehen zu können.»

In Zürich heimisch geworden

2016 ist sie für das Medizinstudium nach Zürich gezogen, endgültig weg von ihrer Familie. «Anfangs war es sehr schwer, aber so klischeehaft es klingen mag: Meine Freunde hier sind mittlerweile zur Familie geworden.» Stocker hat bemerkenswert viele Hobbys; neben zahlreichen Sportarten knüpft sie Armbänder und hilft bei der Organisation von Studiumsanlässen.

Vor der Humanmedizin legte die 27-Jährige den Bachelor in Biomedizin ab, was ihr dann aber doch zu wissenschaftlich war. «Die Forschung ist natürlich extrem wichtig und interessiert mich auch sehr, aber für mich ist der Patientenkontakt essenziell», sagt Stocker. Ihr ist es ein Anliegen, dass man als Ärztin nicht nur fachlich kompetent, sondern auch zwischenmenschlich für die Patientinnen und Patienten da ist.

Für das erste Jahr ihres Masterstu­diums wurde Beatrice Stocker nun das Exzellenzstipendium der Schweizerischen Studienstiftung in Zusammenarbeit mit der Bärbel und Paul Geissbühler Stiftung zugesprochen.

Bewerbungsprozess war komplex

Diese Stipendien kommen ausgewählten Geförderten der Schweizerischen Studienstiftung zugute, die hervorragende akademische Leistungen vorweisen und das Potenzial zu einer brillanten Zukunft haben, aber über zu wenig Mittel zur Studienfinanzierung verfügen und andere Unterstützungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft haben. Dieses Stipendienprogramm wird seit 2018 durch die ­Bärbel und Paul Geissbühler Stiftung ­finanziert, eine Stiftung, die die Förderung humanitärer Entwicklung und die Linderung menschlicher Not bezweckt.

Um in die Studienstiftung zu kommen, hatte Stocker verschiedene Gespräche und musste einen relativ komplexen Bewerbungsprozess durchmachen. Für das Stipendium selber kam neben der ­Bewerbung noch die Darlegung der ­finanziellen Situation hinzu. Sie ist sehr dankbar für diese Möglichkeit. «Es ist toll, dass in der Schweiz Studierende so ge­fördert werden», erzählt die Studentin. Ausserdem schätzt sie es, dass sie bisher so viel erleben durfte und auch Glück hatte. «Es ist mir daher wichtig, etwas zurückgeben zu können.»

Rahel Köppel/Zürich24